Herschwiesenein Dorf mit Vergangenheit und Zukunft

Pfarrkirche Herschwiesen
Der Hunsrück wurde erst spät besiedelt. Das günstigere Klima an Rhein und Mosel bot bessere Lebensmöglichkeiten als der unwirtliche Hunsrück.

Im Vorderhunsrück jedoch, und im Besonderen im Bereich des heutigen Herschwiesens, muss es schon im ersten Jahrtausend Ansiedlungen gegeben haben. Davon zeugen Funde aus Steinkistengräbern, die 1936 im Diedenwald gemacht wurden. Ersten Erwähnungen aus dem Jahr 922 folg-ten dann urkundliche Nachweise aus dem Jahr 1241, nach denen in Herschwiesen schon eine Kirche vorhanden gewesen sein muss, denn die Probstei Worms erhielt das Patronatsrecht, mit dem zum Beispiel das Vorschlagsrecht zur Pfarrstellenbesetzung und die Verpflichtung zur Unterhaltung der Kirche verbunden waren. 1460 wurde in einem „öffentlichen Brief“ bekannt gegeben, dass dem Haus Schöneck zwei freie Kirmessen zugewiesen worden sind, von denen eine in Halsenbach und die andere in Herschwiesen abgehalten werden durfte.

Bereits 1680 wurde eine Pfarrschule eingerichtet und 1743 stellten der Pfarrer und der Kirchenvorstand an den Erzbischof von Trier den Antrag, einen Kirchenneubau zu genehmigen. Im Frühjahr 1745 wurde mit den Baumaßnahmen begonnen. 1746 stand die Kirche im Rohbau - 30m lang, 10m  breit und 10m hoch, die Höhe des Turms beträgt 43m. Am 26.09.1747 wurde die neue Pfarrkirche eingeweiht, aber die gesamte Innenausstattung fehlte noch. Die Pfarrei nutzte in der Zeit zwei Altäre aus der alten Kirche. Ab 1750 erhielt die Kirche den Hochal-tar, zwei Seitenaltäre, die Kommunionbank und schließlich, in den 1780er Jahren, auch eine neue Orgel.
Die Gesamtkosten betrugen etwa 9.000 Taler.
Mit diesem Neubau entwickelte sich Herschwiesen endgültig zum 
Zentrum des Niederkirchspiels, zu dem die Ortschaften
 •    Nörtershausen
 •    Udenhausen
 •    Buchholz
 •    Windhausen
 •    Hübingen
 •    Oppenhausen
 •    Kröpplingen
 gehörten. 

Während der französischen Besetzung (1794 bis 1814) wurde Herschwiesen, zusammen mit Buchholz, der Bürgermeisterei Halsenbach zugeordnet. Geblieben aus dieser Zeit sind Begriffe, wie „Chaiselongue“ oder „Trottoir“, aber auch die Grenzsteine, mit denen die erste, von Napo-leon angeordnete Landvermessung im Vorderhunsrück markiert wurde. Wenn man im Wald spazieren geht, findet man diese noch, denn große Teile unseres Waldes wurden seitdem nicht mehr neu vermessen.

Die beiden Weltkriege brachten auch für unser Dorf Not und Leiden. Insgesamt waren 27 Gefallene, 6 Vermisste und  2 Mitbürger, die durch Kriegs-folgen ums Leben kamen, zu beklagen. Von direkten Kriegsschäden blieb Herschwiesen zunächst verschont. Als dann aber die amerikanische Armee in der Nacht vom 14. März 1945 bei Alken und Burgen die Mosel überquerte, kamen auch die Kampfhandlungen nach Herschwiesen. Nach der Einnahme des Ortes durch die Amerika-ner wurden alle Bewohner vorübergehend in der Pfarrkirche eingesperrt. Erst als die Kühe in den Ställen anfingen zu brüllen und die älteren Mitbürger darauf hinwiesen, dass das Vieh versorgt und die Kühe gemolken werden müssten, wurde diese Internierung aufgehoben. Danach  mussten selbst 16-Jährige mithelfen, die gefallenen Soldaten zu bergen 

– eine Erfahrung, die man nicht vergisst.

Herschwiesen Karte
Doch nach dem Krieg ging es wieder aufwärts. Alte Handwerke wurden wieder aufgenommen oder weitergeführt. In Herschwiesen entwickelte sich etwas, was man heute als „Ich-AG“ bezeichnen würde, nämlich Kleinstbetriebe, bei denen der Inhaber gleichzeitig Chef und Arbeiter war. So beispielsweise „Schmitts Reinhold“, der als Schmied Hacken, Meißel und Äxte schärfte, Pferde beschlug und die Eisenreifen der Leiterwagen erneuerte. Ihm zur Seite, wenigstens bei den Leiterwagen, stand „Schuchs Schorsch“. Ob Schränke, Regale, Leitern oder Reparaturarbeiten an besagten Leiter-wagen, als Schreiner war er unentbehrlich. Wenn man ihn in seiner Werk-statt besuchte, war er immer zu einem Schwätzchen bereit und wenn man dann noch eine Flasche Bier mitgebracht hatte, ging die Arbeit doppelt so schnell von der Hand.

„Gipps Edmund“ und „Jerisse Fried“, die beiden „Weißbenner“ (Maler und Anstreicher) haben mit selbst gemachten Schablonen und Malerwerkzeug viele gute Stuben wieder zum Glänzen gebracht.

„Halfersch Ton“, der im Herbst nicht nur in Herschwiesen den Weißkohl klein schnitt und so mithalf, Reserven für den Winter zu bilden, und „Pau-lusse Michel“, der als Korbflechter die Voraussetzungen schuf, dass im Herbst überhaupt die Ernte verstaut werden konnte. „Michelle Pitter“, unser Metzger, führte im Spätherbst und Winter die Hausschlachtungen durch und so mancher geräucherte Schinken oder seine „Heinzelmännchen“ (klei-ne Blut- oder Leberwürste) lassen einem auch heute noch das Wasser im Munde zusammen laufen.

Wasser, aber sehr heißes Wasser, das mit der Schubkarre aus dem Waschküchenkessel zum Friedhof gefahren wurde, brauchte “Wagenersch Johann“, um den hart gefrorenen Boden aufzutauen, wenn er im Winter mit Hacke und Schaufel ein Grab ausheben musste.

Sogar zwei Wirte ernährte das Dorf zu dieser Zeit – „Millemanns Pitter“ und „Gerads Hermann (Bimmel)“, der auch noch den Dorfladen betrieb. Er ver-brannte in der Nähe des Backes Papier, Kartons und manchmal auch volle Rabattmarkenkärtchen. Dies wussten auch die Lausbuben im Dorf und ab und zu gelang es ihnen, wenn das Feuer mal unbewacht war, das ein oder andere Rabattmärkchen „zu retten“ und im Geschäft wieder einzulösen. Der Bimmel hat wohl gewusst, woher die Kärtchen kamen, hat aber den Rabatt ausgezahlt und sich dabei fest vorgenommen, beim nächsten Mal besser aufzupassen.

Aber nicht nur die Männer, auch die Frauen standen „ihren Mann“. Ob „Reichards Good“, die als Schneiderin viele Hosen, Jacken und Kleider für das Dorf nähte, oder  „Schusterpittere Anna“, die Amm (Hebamme), die bei den damals üblichen Hausgeburten so vielen aus dem Niederkirchspiel ins junge Leben verhalf. 

Unser Dorf wuchs auf rund 350 Einwohner an, Abwasser- und Wasserleitungen wurden erneuert oder neu installiert und die Straßen geteert. 

Die Schule wurde zunächst nach Oppenhausen und dann nach Buchholz verlegt. Auch die Pfarrei wurde kleiner, weil Nörtershausen, Udenhausen und Buchholz ausschieden, und dann verlor sie auch noch ihren eigenen Pastor, weil die Stelle nicht nachbesetzt wurde. 

So ist aus dem einstigen kirchlichen und kulturellen Mittelpunkt des Niederkirchspiels ein Dorf wie jedes andere geworden.  

Ein Dorf wie jedes andere? NEIN!

…denn Herschwiesen hat sich im Laufe der Geschichte seinen dörflichen Charakter bewahrt und ist mit seinen zahlreichen historischen Bauwerken zu einer wirklichen Sehenswürdigkeit geworden. Im Gegensatz zu den umliegenden Ortschaften ist Herschwiesen zwar nur mäßig in der Größe gewachsen, bildet aber mit der Kirche, dem Pfarrhaus, der Pfarrscheune und den mit viel Liebe restaurierten Fachwerkhäusern immer noch den opti-schen Mittelpunkt des Niederkirchspiels. 

Hier lohnt es sich zu leben – und zu bleiben!